GLOBAL VILLAGE
Peter Kowald, b,
Gunda Gottschalk, violin, viola
Xu Feng Xia, guzheng

Text: Peter Kowald
Versione italiana

Gunda Gottschalk, Peter Kowald, Xu Feng Xia, Foto: Nicole Aders


Ein paar Gedanken über musikalische Improvisation

Freie Improvisation: der so anspruchsvolle Begriff der Freiheit meint erst einmal die Freiheit von stilistischen Gegebenheiten, von formalen Schemata, von festgelegten Regeln, wie sie die europäische Musik, siehe vierstimmigen Satz oder zwölftönige Reihe, genauso hat wie die Musiken der anderen Kulturen von Afrika bis Asien, von den Aborigini bis zu den Inuitfrauen. Misha Mengelberg bemerkte, dass beim Improvisieren Form nicht vorgegeben ist, sondern etwas ist, das sich beim Spielen "irgendwie herausstellt".
Das bedeutet, das wir alle Möglichkeiten haben: so gehen manche mit opulenter Virtuosität, andere mit radikaler Reduktion ans Werk; Klanglichkeiten aus verschiedenen Teilen der Welt können genauso hineingenommen sein wie das Geräusch oder die Klang-technologien der letzten Jahre. Ob unsere Ohren in ausgezeichnetem Zustand sind, wie Cage sagte, hängt von verschiedenem ab: jedenfalls steht viel zur Verfügung und wir müssen nichts ausschliessen, alles kann auf den Tisch.
Natürlich wählen wir - das ist unsere Arbeit - vom reichhaltigen Angebot auf dem Tisch dann aus, können / wollen nicht alles immer einsetzen und nutzen. Die Qual der Wahl bewegt sich hin zu Freiheiten, die mit allem, was da ist, umgehen wollen, ob mehr in prozesshafter Entwicklung oder (meist intuitiver) Entscheidung, und all dem dazwischen.
Dann aber auch - besonders in der Gruppe - die Überraschungen, alles das, was zu dir kommt. Fehler gibt's nicht: wenn da etwas auftaucht, das wie ein Fehler aussieht, kannst du es wiederholen, noch einmal und noch einmal, und schon ist es Struktur. Die einzelnen Materialien werden schrittweise zu Sprache, das musikalische Gedächtnis setzt ein: das vor sich hinsummen von Melodien, Rhythmen, Klängen, Musik in Erinnerung. Aber: wenn am Abend etwas neues entstanden ist, das ich noch nie gespielt habe, muss ich mich bemühen, damit ich es nicht vergesse, am nächsten Morgen, ähnlich wie bei Träumen.
Mit der Spontaneität ist das übrigens nicht so einfach: da gibt es nicht immer etwas Neues (das wär ja auch noch schöner. Nein, furchtbar wär's). Wie aus einem Sack - der kann auch eine Last sein - aus dem ich ziehe, komme ich an mit meinen Routinen, sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne. Eigentlich ähnlich, wie wir mit Sprache umgehen: das richtige Wort finden und den Schatz erweitern, improvisieren.

Unter dem Namen GLOBAL VILLAGE versammelt sich eine variable Gruppe von Musikerinnen und Musikern - Improvisatoren alle - die eher nicht im Idiom Free Jazz zu Hause sind, sondern sich - mehr oder weniger offensichtlich - auf ihre jeweils eigenen musikalischen Traditionen beziehen, indem sie ihre lokalen Eigenheiten und die dadurch bestimmten Klänge, Melodien, Rhythmen usw in den Zusammenhang der improvi-sierten neuen Musik stellen.

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