OLAF RUPP
guitar

Text: Felix Klopotek
Versione italiana

Foto:Cornelia C. Müller


„I went inside me and closed the door gently behind me. It was time to abstract myself from the world.“
(The Comforts of Madness)

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, daß sich das, was man für gewöhnlich an Musik schätzt: Intensität (was für ein Fetisch!), jenes angenehme Gefühl
der Körperlichkeit und Unmittelbarkeit über Faktoren wie Lautstärke, Repetition, grelle resp. extreme Klangfarben erschließt. Ohne diese Faktoren geringschätzen zu wollen - aber spätestens die Erfahrungen mit Improvisierter Musik haben gezeigt, wie jene Unmittelbarkeit des Höreindrucks durch die Dichte der Interaktionen und die Verzahnung und Verkettung (bis zur Gleichzeitigkeit) der musikalischen Ereignisse evoziert wird. Nur zur Erinnerung: Albert Aylers „Spiritual Unity“ besticht nicht durch Brachialität sondern durch die Plötzlichkeit der Ereignisse, die befeuert von improvisatorischer Inspiration ebenso losgelöst wie unabänderlich stringent sich präsentieren. Auch Cecil Taylors Musik -und sie werden es die nächsten drei Tage erleben- ist eine Musik der Vielzahl (der Dynamiken, Stimmungen, Melodien & Rhythmen), die nach dem Parameter der Gleichzeitigkeit gebündelt werden. Lautstärke und Repetition mögen darin vorkommen - das primäre Gestaltungsmittel sind sie nicht.

Es wäre jetzt ein Leichtes, hier den Bogen zu Olaf Rupp zu spannen, dem Berliner Gitarristen, dem man seine Begeisterung für Taylor anhören kann, der penibler Soundarbeiter ist und dennoch oder trotzdem auf Effektgeräte und überzüchtete Verstärkertechnik verzichtet.

Aber der Imperativ der Improvisation, das Selber-Bastel-Prinzip, die Beschwörungen, seine eigene (nichtsdestotrotz universell kommunizierbare) Sprache zu kreieren, verbietet solche Übergänge. Kaum stellt man übergeordnete Begriffe her und versucht die einzelnen Improvisatoren darunter zu subsumieren, geht das Klagen los: so hören wir uns nicht an, so kann man das nicht sagen, meine Musik war ja schon immer eher leise bzw. ich hab’ ja nichts gegen Energy-Playing usw. usf.

Wer das als bloße Eitelkeiten der Musiker abtut, übersieht, daß die Improvisation nun mal eine hochgradig idiosynkratische Musik, zudem eine sehr empfindliche und behutsam tastende, ist. Natürlich geht es bei ihr um die direkte Verbindung von A nach B. Das Paradoxe aber ist, daß die direkte Verbindung mit einigen, ach was: erheblichen Umwegen verbunden ist. Was die direkte Verbindung von A nach B ist (und wie sie durchschritten werden kann), darüber herrscht in der Improvisierten Musik kein Konsens. Das macht zugleich ihre Schwäche und Stärke aus.

Also: Olaf Rupp. 35jährig, wohnt in Berlin, kommt aus dem Saarland, „I play guitar since I was twelve“, ergänzt das durch Electronics (man hörte ihn auch schon singen). Improvisiert seit Ewigkeiten, aber vor allem, seit letztem Jahr, Solo, also allein, Versuchsanordnung: Person, Verstärker, Gitarre (+Raum). Respekt vor den Meistern des Instrumentes ist das eine, Epigonentum das andere. Von Epigonentum ist bei Rupp keine Spur, sein Spiel erscheint hermetisch, fast monochrom. Und je näher man hinhört, desto fremder schallt es zurück: es ist verästelt, ausdifferenziert und ausgestanzt bis in die letzten Mikrofaser, es kreist um sich selbst und läuft doch vor sich selbst davon: die Musik, der Sound, die Haltung.
Das Spiel ist geprägt von Hyperaktivismus und doch von Konzentration und die mit ihr einhergehende Beschränkung aufs Wesentliche. Diese hat einen Aspekt des Wesentlichen stark gemacht: die Hyperaktivität. So below as above.

Will da noch jemand mit der Außenwelt kommunizieren?
In der Tat ist es für den Rezipienten beim Hören von Ruppmusik schwierig, sich eine andere Position vorzustellen als entweder größtmögliche Begeisterung oder Indifferenz ob des nur schwerlich nachvollziehbaren und kaum nach außen vermittelbaren Regelsystems der Musik. Entweder man macht es mit und läßt sich in den Sog mitreißen von Phrasen und motivischen Zellen, die Rupp immer wieder manisch umkreist, wiederholt, sich an ihnen festbeißt, nur um dann blitzschnell zu anderen Segmenten zu wechseln, als sei es programmiert, oder man wird durch die Überforderung ermüdet. So einfach ist das. Es geht nämlich nicht um Kommunikation, um „Hallo, hier bin ich und ich laß euch mal ein wenig an meinem Seelenleben teilhaben“, wie ordinär!, sondern um Technik, um Kombinatorik, um Reaktion und Gegenreaktion als biomechanischen Vorgang (was nichts unmenschliches, maschinenhaftes ist), vielleicht auch um die Nichtidentität mit sich selber. Aber das ist jetzt zu verstiegen, zu interpretativ.

Die Musik will nur an sich selbst gemessen werden, an dem, was sie an Klangmaterial HIER und JETZT bereitstellt. Alles andere ist überflüssig.

Olaf Rupp knüpft also nahtlos an die Tradition der Improvisierten Musik als texturale Organisation, als Gewebe aus Sounds und Aktionen, die diese Sounds hervorbringen, an. Ob er jetzt in einer personalen Kette steht oder ob seine Musik (Klischees entsprechenden) Stilistiken reproduziert, ist unwichtig. Aber keine Sorge: ja, er steht in einer personalen Tradition (seine Verbindungen zur älteren Generation ist belegt) und nein, Klischees und Stilistiken spielen absolut keine Rolle (wobei es natürlich auch um Stil und Haltung geht, aber das steht auf einem anderen Papier).

Aber er denkt diese Tradition lieber weiter als bloß an sie anzuknüpfen. Genauer gesagt: sie spielt in dem Moment keine Rolle, wenn es darum geht zu spielen (sic!). Darin unterscheidet er sich nicht von seinen Kollegen, steht also gewissermaßen wieder in einer Tradition.

Vertracktes Ding, diese Tradition. Sie ist offensichtlich etwas abstraktes, wer sie mit Leben auffüllt, konkret ihre Kontinuität erfahren will, verwirklicht seinen eigenen Beitrag zu ihr. Und dieser Beitrag ist im besten Fall jene eigene Sprache, von der so oft geraunt wird.

So kam dann endlich der Punkt, alles Überflüssige abzustreifen und sich zu konzentrieren auf das Notwendige. Das Überflüssige war nicht wirklich überflüssig. Es war bloß so, daß es Ruhe brauchte. Ruhe und Zeit.

aktuelle Veröffentlichungen
Mai, 12“, Sieben / a-Musik (Köln)
September, CD (limited Edition), GROB / a-Musik (Köln)
Life Science, CD, FMP

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